21.10.2006, 20:00 Uhr Bläserfreundschaft SBO Ried und SBO LK Passau
„SBO mal zwei“ und zwei Musiker von Weltrang
Phänomenales Konzert mit den Sinfonischen Blasorchestern des Landkreises und aus Ried in der Pockinger Stadthalle – Amerikanischer Komponist dirigiert seine eigenen Werke – Spitzengeiger als Solist

Von Guntram Kraus 

Pocking. Mit den Sinfonischen Blasorchestern des Landkreises Passau und aus Ried im Innkreis gaben sich am Samstagabend in der Stadthalle gleich zwei Orchester auf einmal die Ehre. Die Gäste aus Österreich überraschten zudem mit zwei Akteuren von Weltgeltung.
 
Zum dritten Mal schon innerhalb weniger Jahre wurden die Liebhaber konzertanter Blasmusik unter dem Motto „Bläserfreundschaft Bayern – Österreich“ in die Pockinger Stadthalle gelockt, die auch an diesem Abend wieder ausverkauft war. Nichts Geringeres hätte dieses Konzert allerdings auch verdient gehabt.
Während beim ersten Mal noch die Brassband Fröschl aus Hall in Tirol den österreichischen Part des Konzerts übernommen hatte und im April des vergangenen Jahres die Musiker der Brass Band Oberösterreich als Freunde von jenseits des Inns ins Rottal kamen, konkretisierte am Samstagabend das Sinfonische Blasorchester Ried die musikalische Partnerschaft zu einer „Bläserfreundschaft Bayern – Oberösterreich“.
Dessen langjähriger Leiter Karl Geroldinger pflegt eine langjährige persönliche und musikalische Freundschaft mit Bad Griesbachs Stadtkapellmeister Hans Killingseder, der in seiner Eigenschaft als Bezirksleiter der Kreismusikschule neben dem Sinfonischen Blasorchester Bad Griesbach auch das des Landkreises führt. Zu diesem mutiert der Klangkörper aus der Kurstadt, indem er rund zwanzig Musiker aus anderen Ensembles des Landkreises integriert – sodass an diesem Abend exakt 74 Instrumentalisten die Bühne der Stadthalle füllten.
Mit Edward Elgars Klassiker „Pomp and Circumstance“, der musikalisch viel mehr als das wohlbekannte Zentralthema in sich hat, eröffnete das Landkreisorchester den ersten Teil des Konzertabends. Die „Overture to a New Age“, bei der sich Iris Stöckl als Klarinettensolistin bewährte, symbolisierte von ihrem fanfarenhaften Beginn über den Wechsel zwischen melancholisch-ruhigem und schnellem Zwischenteil bis zum prozessionshaften Finale den Weg „in ein neues Zeitalter“.
Mit seinem zum 50-jährigen Stadtjubiläum Griesbachs 2003 komponierten Marsch steuerte Dirigent Hans Killingseder aus eigenem Repertoire ein Werk des Genres bei, das als Inbegriff „eigentlicher Blasmusik“ gilt.
Die darauf folgenden „Alphorn Eskapaden“ erzählten die Reise eines unzufriedenen Alphorns in die Großstadt bis zur glücklichen Heimkehr in die Berge. Die zwei auf einer kleinen Nebenbühne aufgebauten Alphörner bliesen, entsprechend ihrer (Wahl)heimat in originale Südtiroler Tracht gewandet, Maria Killingseder und Martin Graber – und ließen dabei staunen, über welches Oktavenspektrum hinweg sie ihrer relativ unhandlichen musikalischen Gerätschaft in zweistimmigem Wohlklang seine Naturtöne entlockten.
Mit drei in ihrem Charakter sehr verschiedenen Sätzen aus der „Hymn of the Highlands“, einer Hommage an das Schottische Hochland und seine Dörfer und Burgen, endete der Part des Landkreisorchesters. Über den heftigen Wind, dessen Geräusche die Lautsprecher vom Band beisteuerten, legten sich erst sentimentale Klarinetten. Dann begleiteten Bongos und rhythmisch anspruchsvolle Stakkato-Fetzen der Hölzer-Register ein betörendes Saxophon-Solo (Barbara Kopfinger). Über den Geräuschteppich der kleinen Trommel schienen Reiterhorden zu galoppieren, die bereits den aggressiven Charakter des Schlusssatzes vorwegnahmen. Diesen hörte man aus dumpfem Trommelwirbel ebenso heraus wie aus dem räumlich effektvoll einander gegenüber postierten dissonanten Trompetenfanfaren – insgesamt ein höchst anspruchsvolles, modern-unkonventionelles Werk. Standing Ovations schon an dieser Stelle!
Nach der Pause – sie hinterließ in der zweiten Konzerthälfte die einzigen unangenehmen akustischen Spuren des Abends, weil immer wieder unvorsichtige Zuhörer in den Saal mitgebrachte Getränkeflaschen umwarfen – gab das Sinfonische Blasorchester Ried erstmals überhaupt in Pocking seine Visitenkarte ab, und was für eine! Das lag zum einen an der überragenden Qualität dieses ebenfalls mit rund siebzig Musikern angetretenen Klangkörpers, zum anderen aber an der dargebotenen Musik selbst. Der komplette Programmteil war dem amerikanischen Komponisten Stephen Melillo gewidmet – und der 1957 geborene Künstler war zur Überraschung des Publikums persönlich präsent! Seit zwei Jahren besteht der Kontakt zwischen dem SBO Ried und dem Komponisten, der extra für dieses Konzert in Pocking und einen weiteren Auftritt im Brucknerhaus in Linz für eine Woche aus seiner Heimat in Virginia angereist kam. Zunächst lauschte er konzentriert und versonnen, gebannt und bestätigend nickend den ersten beiden aus seiner Feder stammenden Werken, um bei zwei weiteren schließlich selbst zum Taktstock zu greifen. Das hervorragende Dirigat der beiden anderen Orchesterleiter wird um keinen Deut geschmälert, wenn man betont, wie es fesselte, dem Komponisten selbst beim Dirigieren zuzusehen. Mit intensivster Körpersprache lebte Melillo seine Werke am Pult mit, trieb das Orchester zu einer Spitzenleistung und verlebendigte seine Musik damit auch dem Publikum auf ein Höchstmaß.
Niemals beiläufig, sondern ganz oder gar nicht könne man Melillos Musik spielen, erläuterte Karl Geroldinger dem Publikum. Sie sei Musik aus dem Leben und für das Leben, zumal der Komponist stets auch politische oder das menschlichen Leben betreffende Botschaften mit seinen Stücken verbindet. Schon nach dem fulminanten ersten Stück, „Godspeed“, schien keine Steigerung mehr möglich. Doch jedes weitere Werk toppte das vorausgehende noch einmal. „Jidai“, zum ersten Mal überhaupt auf europäischem Boden aufgeführt, dokumentierte den Fluss der Zeit auf eine friedliche Zukunft hin: mit voluminösen, teils schrillen Klangbildern, die sich zu wunderschönen C-Dur-Harmonien hin entwickelten. Ständige Wechsel in Tempi und Dynamik sorgten für phantastische musikalische Überraschungseffekte, machten das Zuhören unübertrefflich spannend, so auch bei „Cuba“, das das bunte Leben auf der Karibikinsel beschrieb, aber auch die innere Zerrissenheit des Landes und die Sehnsucht seiner Menschen nach Freiheit. Hier zeigten vor allem der Hornsolist und die Pianistin am Flügel, was an solistischen Kapazitäten im SBO Ried steckt.
Die kompositorische Experimentierfreude von Stephen Melillo, der seine Werke selbst als „music for the third millenium“ bezeichnet, wurde aber vor allem in der „Romanze from Violin Concerto“ ersichtlich, denn ein Violinkonzert mit Blasorchester ist nicht nur ungewöhnlich, sondern definitiv neu. Und als hätte der Konzertabend nicht schon genug Höhepunkte gehabt, kam als Geigensolist Johannes Meissl auf die Bühne. Der aus Ried stammende Musiker ist zweiter Violinist des in Wien beheimateten „Artist Quartetts“, einem der wenigen Kammermusikquartetts von Weltrang. Sein Terminkalender führt Meissl und sein Ensemble noch in dieser Woche zu Konzerten nach Irland und Japan. Es versteht sich von selbst, dass das in einem Werk von wunderbarer innerer Schönheit eingebettete Violinsolo allein das Eintrittsgeld wert war.
Dieses Konzert war für die Stadt und ihr Publikum ein Luxus, war geradezu inflationärer Umgang mit Kunstgenuss, könnte man doch jedem der beiden Orchester für sich schon einen ganzen Konzertzyklus lang zuhören. Wie viele Konzertsäle des Landes würden sich glücklich schätzen, auch nur eines der beiden Ensembles einmal zu beherbergen!
Nach warmherzigen Dankesworten von Landrat und Bürgermeister an alle Mitwirkenden vereinte der Choral „Deep Harmony“ die Musiker beider Orchester zu einer Art musikalischem Nachtgebet, dessen Titel als weiteres Motto über den Abend insgesamt stehen und die alle Grenzen überschreitende Bedeutung der Musik symbolisieren konnte.

Die Bilder der Galerie zu diesem Ereignis sind ebenfalls von G. Kraus.

Termine:

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