Das Sinfonische Blasorchester Bad Griesbach spielte in Schloss Kirchham
Sommerserenade aus dem musikalischen Bilderbuch
Von Guntram Kraus
Kirchham. Für den „Sommer“ hatte endlich das Wetter gesorgt, für die „Serenade“ der abendliche Termin – dass die „Sommerserenade“ am Samstag in Schloss Kirchham zu einem musikalischen Hochgenuss wurde, dafür garantierte wieder einmal das Sinfonische Blasorchester Bad Griesbach unter der Leitung von Stadtkapellmeister Hans Killingseder.
Fast hätten terminliche Umstände nach einjähriger Unterbrechung auch heuer einen Auftritt verhindert: Dem Dirigenten fehlten ein Dutzend Instrumentalisten seiner Stammbesetzung. Doch Hans Killingseder macht aus der Not eine Tugend und lud ein paar Gastmusiker aus seiner oberösterreichischen Heimat und sogar aus Meran zum Mitspielen ein. Unter ihnen ragte im Laufe des Konzerts vor allem Markus Reiter als Mallet-Solist beim „Wilhelm-Tell-Galopp“ heraus. Dass das Griesbacher Orchester längst routiniert genug ist, auch in reduzierter Besetzung musikalisch souverän zu agieren, dass auch 45 Orchestermusiker akustisch wie optisch einen voluminösen Eindruck hinterlassen, wussten die Kenner im Voraus. Das Publikum dankte die Wiederaufnahme der Tradition dieses Konzerts jedenfalls nicht nur mit Präsenz bis über den letzten Platz hinaus, sondern auch mit heller Begeisterung über das Gehörte.
Zwei Märsche von Julius Fucik – „Unter der Admiralsflagge“, seltener gehört, und der grandiose „Florentiner Marsch“ – rahmten die Serenade ein. Schon der zweite Programmpunkt setzte ein besonderes Highlight: „Springtime in Berlin“ aus der Feder des niederländischen Komponisten Kees Vlak ist eine musikalische Hommage an die deutsche Hauptstadt und ihre wechselvolle jüngeren Geschichte. Auf besondere Weise brachte Hans Killingseder dieses Stück dem Publikum noch vor dem eigentlichen Vortrag nahe: In Ergänzung prägnanter Erläuterungen über den Aufbau und den geistigen Gehalt des Werks und seiner fünf Teile ließ er von einzelnen Registern des Orchesters die wesentlichen Motive anspielen – ein dem sensiblen Zuhören und dem Verständnis des Werks ausgesprochen dienliches Verfahren. So fiel es leicht, die Lebendigkeit der Jugend von heute musikalisch zu identifizieren – eine rhythmisch äußerst anspruchsvolle Passage vor allem für die Schlagzeuger, die Erinnerung der Älteren an die Beschaulichkeit früheren Ku’damm-Lebens in einem langsamen Walzer herauszuhören, eine US-Marching-Band aus der Zeit der Besatzung wiederzuerkennen oder den majestätischen Hymnus zu vernehmen, der als musikalische Metapher für das Brandenburger Tor als Symbol der Wiedervereinigung dienen soll.
Nach Berlin machte das Orchester Station in Wien: Welcher typischerer Vertreter des Genres „Konzertwalzer“ wäre denkbar als Johann Strauß‘ „Kaiserwalzer“? Bei konzentriertem Zuhören wird deutlich, wie viel länger und komplexer dieses Werk ist als die Bekanntheit seiner Hauptmelodie erwarten lässt – und wie viel schwerer es vor allem zu spielen ist!
Nach einem Alphorn-Intermezzo (Solisten: Maria Killingseder und Martin
Graber) erklang „Des Großen Kurfürsten Reitermarsch“, Inbegriff klassisch-preußischer Militärmusik. Jedoch: Nichts Martialisches hat dieses Werk an sich, feierlich-getragen vielmehr ist das Tempo und erhaben die Melodie, würdevoll kommen selbst die Trompetenfanfaren daher.
„Second Waltz“ mag nicht jedem unter dem Namen Dmitrij Schostakowitschs geläufig sein, das Motiv dieses Teils seiner „Jazz Suite“, das abwechslungsreich zwischen Holz- und Blechbläsern hin- und herpendelt, besitzt jedoch vom ersten Takt an hohen Wiedererkennungswert.
Der vom Dirigenten anlässlich der fünfzigsten Wiederkehr der Stadterhebung Griesbachs selbst komponierte „Jubiläumsmarsch“ führte in die Pause, ein „Gruß an Kiel“ – gewidmet allen norddeutschen Kurgästen im Publikum – leitete den zweiten Teil der Serenade ein. Das Medley der ewig jungen Songs aus Leonard Bernsteins „West Side Story“ eröffnete ein kurzer Paukenwirbel. Hans Killingseders Meinung über das 1957 uraufgeführte „größte Musical aller Zeiten“ teilen sicher viele.
Auch an den Melodien von Franz Grothe kann man sich kaum satthören. Ein Ohrwurm folgte dem anderen im Potpourri aus einigen der unzähligen Kompositionen der langjährigen Chefs des Deutschen Rundfunkorchesters. Gerhard Reischl blies sein Trompetensolo hier ebenso gefühlvoll wie im Medley der frühen Tom-Jones-Hits. Bei den Evergreens von „Mister Sex Bomb“ aus den siebziger Jahren swingte sich das Orchester in fetzigen Big-Band-Sound hinein.
Hans Killingseder, der sympathischerweise immer wieder zum Ausdruck bringt, wie wohl er sich im Kreis seines Orchesters fühlt, vergaß auch an diesem Abend nicht, seinen Musikern für ihren Einsatz zu danken sowie dem anwesenden Hanns Dorfner für das Engagement des Landkreises in Sachen Musikschulen und Kultur überhaupt. Gerne nahm Killingseder von Hausherr Bürgermeister Hans Penninger den „Dauerauftrag“ für die Konzerte der nächsten Jahre entgegen.
Absolut niveauvoll auch der vom Orchesterleiter gewählte Abschluss des Konzerts: Während oft genug der „Bayerische Defiliermarsch“ und die „Alten Kameraden“ – unter Verkennung ihres Charakters als musikalische Kunstwerke – in den Status „unvermeidlicher Rausschmeißer“ herabgewürdigt werden, hat die „Europahymne“ mit dem berühmten Motiv des Schlusschors von Beethovens Neunter das Attribut „Zugabe“ zurecht nicht verdient, und es ist wert, sich vor dieser Melodie zu erheben.
Die Fans konzertanter Blasmusik wissen längst, was sie am Sinfonischen Blasorchester Bad Griesbach haben, welches Juwel die Region in Gestalt dieses Klangkörpers besitzt. Der musikalische Edelstein hat auch an diesem Sommerabend wieder wunderschön geleuchtet. |